OLG Saarbrücken, Beschluss vom 12.12.2017 5 W 53/1716.04.2018

Anforderungen an eine Pflichtteilsentziehung

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Homburg vom 24. Januar 2017 - 8 VI 526/14 - wird zurückgewiesen.

 

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 190.000,- Euro festgesetzt.
Gründe

I.

 
Die Antragstellerin begehrt die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin nach ihrer am 16. Juli 2014 in St. W. verstorbenen Mutter H. E. R., geb. R., ausweist. Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihres Todes verwitwet. Sie hinterließ drei Kinder, darunter die Antragstellerin und den Beteiligten zu 2), ein weiterer Bruder ist nach Angaben der Antragstellerin bereits im Jahre 1968 verstorben. Der Beteiligte zu 2) ist mit Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 30. März 2010 - 4 KLs 69/09 - wegen schweren räuberischen Diebstahles in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Bl. 69 d.A.).

 
Nach dem Tode der Erblasserin eröffnete das Amtsgericht Homburg folgende beiden letztwilligen Verfügungen (Az. 8 IV 187/13):

 
- Ein handschriftliches „gemeinschaftliches Testament“ der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 13. Februar 1984, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Erben des Längstlebenden einsetzten;

 
- Ein notarielles Testament der Erblasserin vom 7. März 2013, UR-Nr. .../... K des Notars Dr. K., H., in welchem diese dem Beteiligten zu 2) unter Berufung auf die §§ 2271, 2294, 2333 BGB der Pflichtteil entzog und die Antragstellerin unter Aufhebung der wechselbezüglichen Verfügung aus dem früheren Testament zur alleinigen Erbin einsetzte.

 
Hinsichtlich der Pflichtteilsentziehung heißt es in § 3 des notariellen Testaments vom 7. März 2013 (Bl. 13 d.A. 8 IV 187/13):

 
1. Meinem Sohn Herrn E. K. R. entziehe ich seinen Pflichtteil.

 
2. Mein Sohn E. K. R. wurde am 30.03.2010 vom Landgericht Saarbrücken wegen schweren räuberischen Diebstahls rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Den Bewährungsauflagen kam er in der Folge nicht nach und wurde trotz mehrfacher Aufforderung nicht bei der Bewährungshilfe vorstellig, sodass das Landgericht Saarbrücken mit Beschluss vom 13.02.2012 die Aussetzung der Strafvollstreckung widerrief. Derzeit verbüßt mein Sohn E. K. R. seine Haftstrafe. Zudem wurden weitere Straftaten von meinem Sohn E. K. R. innerhalb meiner Familie begangen, wie bspw. Einbrüche in meine Wohnung und die Wohnung meiner Tochter sowie mehrfacher Diebstahl u.a. meines Schmucks, die jedoch nicht zur Anzeige gebracht wurden.

 
3. Die von meinem Sohn begangenen Straftaten laufen meinen persönlichen und in meiner Familie geltenden und gelebten Wertvorstellungen in hohem Maße zuwider. Zudem ziehen sie noch heute mein Familien- sowie Berufsleben in Mitleidenschaft. So sind bspw. Gläubiger nicht bereit, weitere Investitionen in den von mir betriebenen Hotel- und Gaststättenbetrieb "Landhaus R." zu ermöglichen. Aufgrund dieser Erlebnisse entwickelte sich bei mir zunehmend eine depressiv-ängstliche Störung; ich leide unter Unruhe, Schlafstörungen, Nervosität und Stimmungsschwankungen.

 
Aus diesen Gründen ist die Teilhabe meines Sohnes E. K. E. K. R. an meinem Nachlass unzumutbar.

 
4. Eine Verzeihung hat nicht stattgefunden.

 
Ich erkläre, dass eine künftige Verzeihung nur stattfinden wird, wenn ich eine Verzeihung ausdrücklich in einer neuen letztwilligen Verfügung von Todes wegen erklären werde.

 
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Homburg hat mit Beschluss vom 24. Januar 2017 (Bl. 60 d.A.) den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erblasserin habe die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 13. Februar 1984 getroffene wechselbezügliche Verfügung zugunsten des Beteiligten zu 2) nicht wirksam aufheben können. Ein Pflichtteilsentziehungsgrund nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB sei nicht gegeben, weil diese Bestimmung nur rechtskräftige Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung erfasse. Dass der Beteiligte zu 2) sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens im Sinne des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 gegenüber dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person schuldig gemacht habe, bedürfe einer Betrachtung der Umstände im Einzelfall, die in dem notariellen Testament nicht ausreichend dargestellt worden seien.

 
Gegen diesen ihr am 28. Februar 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die am 24. März 2017 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Sie ist der Auffassung, die Bestimmung des § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB müsse im vorliegenden Fall zumindest entsprechende Anwendung finden, weil die Aussetzung der mit Urteil vom 30. März 2010 verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung hier wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen und erneuter Straftaten durch den Beteiligten zu 2) später widerrufen worden sei. Auch deute der Hinweis der Erblasserin in dem notariellen Testament, wonach der Beteiligte zu 2) in ihre Wohnung eingebrochen sei und Schmuck gestohlen habe, auf Wohnungseinbruchsdiebstähle hin. Dies müsse mit Blick auf das Eindringen in die Privatsphäre der Erblasserin als zur Pflichtteilsentziehung berechtigendes schweres Vergehen im Sinne des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB angesehen werden.

 
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 77 d.A.). Der Senat hat mit Beschluss vom 3. August 2017 einen Hinweis zur Rechtslage erteilt (Bl. 84 d.A.), zu dem die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

 

II.

 
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat die Erteilung des beantragten Erbscheines zu Recht abgelehnt.

 

1.

 
Die befristete Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Merzig ist gemäß §§ 58 ff., 63 Abs. 1 FamFG zulässig. Über sie hat gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG das Oberlandesgericht zu entscheiden, nachdem das Amtsgericht ihr nicht gemäß § 68 Abs. 1 FamFG abgeholfen hat.

 

2.

 
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat die Erteilung des beantragten Erbscheines, der die Antragstellerin als Alleinerbin ausweisen soll, zu Recht abgelehnt, weil diese aufgrund des notariellen Testaments der Erblasserin vom 7. März 2013 nicht deren Alleinerbin geworden ist. Die Erbfolge nach dem Versterben der Erblasserin richtet sich vielmehr nach dem von dieser und ihrem vorverstorbenen Ehemann im Jahre 1984 errichteten gemeinschaftlichen Testament.

 

a)

 
Bei dem am 13. Februar 1984 zunächst handschriftlich errichteten gemeinschaftlichen Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes handelt es sich um ein sog. „Berliner Testament“ (§ 2269 BGB), durch das sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder - mithin neben der Antragstellerin auch den Beteiligten zu 2) - zu Erben des Längstlebenden eingesetzt haben. Hiervon konnte sich die Erblasserin als Alleinerbin ihres vorverstorbenen Ehemannes nach dessen Tode nicht mehr einseitig durch letztwillige Verfügung lösen, weil sie gemäß §§ 2270, 2271 Abs.2 BGB an die in dem gemeinschaftlichen Testament verfügte Einsetzung ihrer Kinder - d.h. der Antragstellerin und des Beteiligten zu 2) - als Schlusserben nach dem Längstlebenden gebunden ist:

 

aa)

 
Zwar steht es einem Erblasser grundsätzlich offen, frühere testamentarische Anordnungen durch ein Widerrufstestament oder ein widersprechendes Testament zu widerrufen (§§ 2254, 2258 BGB). Das gilt sowohl für einseitige Testamente als auch für einseitige Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten, und zwar auch noch nach dem Tod des Erstversterbenden (Staudinger/Rainer Kanzleiter (2014) BGB § 2271, Rn. 3). Für wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten schließt § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB hingegen den Widerruf im letztgenannten Fall grundsätzlich aus. Mit dem Tode des erstversterbenden Ehegatten wird der überlebende Ehegatte in ähnlicher Weise an seine wechselbezüglichen Verfügungen gebunden, wie der Erblasser beim Erbvertrag grundsätzlich von vornherein an vertragsmäßige Verfügungen gebunden ist (Staudinger/Rainer Kanzleiter (2014) BGB § 2271, Rn. 28).

 

bb)

 
So liegt es auch hier. Die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 13. Februar 1984 verfügte Einsetzung der Kinder zu Schlusserben des Längstlebenden steht nämlich in Wechselbezug zu der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute.

 

(1)

 
Wann eine Verfügung wechselbezüglich ist, ergibt sich aus dem in § 2271 Abs. 1 BGB in Bezug genommenen § 2270 BGB. Danach kommt es darauf an, ob anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Hierzu ist die letztwillige Verfügung auszulegen. Für den Fall, dass die bei der Auslegung gebotene Willenserforschung der Testierenden weder die Abhängigkeit noch die Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, kann auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden (Senat, Beschluss vom 21. Juni 1990 - 5 W 95/90, FamRZ 1990, 1285; Staudinger/Rainer Kanzleiter (2014) BGB § 2270, Rn. 26a; Musielak in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2013, § 2270 Rdn. 9). Danach ist ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander im Zweifel anzunehmen, wenn die Ehegatten einander gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

 

(2)

 
Im vorliegenden Fall ergibt die Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) des gemeinschaftlichen Testaments vom 13. Februar 1984, dass die darin getroffenen Verfügungen wechselbezüglich erfolgen sollten. Zwar enthält das Testament insoweit keine ausdrückliche Bestimmung. Die getroffenen Regelungen und die Interessenlage der Ehegatten lassen einen solchen Schluss jedoch mit hinreichender Gewissheit zu, weshalb es eines Rückgriffs auf die - gleichlautende - gesetzliche Regelung nicht bedarf. Die auf Geschäftspapier getroffene Regelung, mit der sich die Ehegatten zunächst - unter Übergehung ihrer Abkömmlinge - wechselseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Erben des Längstlebenden eingesetzt haben, ist Ausdruck einer gemeinsamen Vermögensplanung, die hier ersichtlich zu dem Zweck erfolgte, den familiären Hotelbetrieb aufrecht zu erhalten, dem Überlebenden die Lebensgrundlage zu sichern und nach dessen Tode das Vermögen den gemeinsamen Kindern zukommen zu lassen (vgl. OLG München, FamRZ 2008, 728). Ohnehin spricht die Lebenserfahrung dafür, dass die Einsetzung der Erblasserin durch ihren erstverstorbenen Ehemann in Abhängigkeit zu dessen Einsetzung der gemeinsamen Kinder getroffen wurde. Durch die Einsetzung des Ehegatten zum Alleinerben übergeht und enterbt der Erstversterbende seine eigenen Kinder, denn die eigene Schlusserbeinsetzung der Kinder wird im Fall des Vorversterbens gegenstandslos. Wer sein Vermögen letztendlich an die eigenen Kinder weitergeben will, sie aber trotzdem für den ersten eigenen Todesfall enterbt, tut das im Bewusstsein und Vertrauen darauf, dass wegen der Schlusserbeinsetzung des anderen Ehegatten das gemeinsame Vermögen eines Tages auf die Kinder übergehen wird (OLG München, NJW-RR 2013, 202). Letztlich ist auch die Erblasserin selbst anlässlich der Errichtung des notariellen Testaments im Jahre 2013 erkennbar von einer Wechselbezüglichkeit und einer daraus resultierenden Bindungswirkung des früheren gemeinschaftlichen Testaments ausgegangen (Bl. 12 d.A. 8 VI 187/13), was ebenfalls auf einen entsprechenden Willen der Testierenden bei Errichtung des Testamentes hindeutet und bei der Auslegung zu berücksichtigen ist (vgl .BayObLG, FamRZ 1991, 1232; Reymann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2270 BGB, Rn. 25).

 

c)

 
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die aus der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen folgende Bindungswirkung hier auch nicht gemäß §§ 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 2294 und § 2336 BGB entfallen. Die Voraussetzungen einer Pflichtteilsentziehung gemäß § 2336 BGB liegen nicht vor:

 

aa)

 
Die in dem Testament vom 7. März 2013 erwähnte Verurteilung des Beteiligten zu 2. zu einer Bewährungsstrafe wegen schweren räuberischen Diebstahles ist zur Begründung der Entziehung des Pflichtteils nicht geeignet, worauf der Senat die Beteiligten bereits mit Beschluss vom 3. August 2017 hingewiesen hat.

 

(1)

 
Gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn dieser wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Eine Verurteilung, deren Vollstreckung - wie hier - zur Bewährung ausgesetzt worden ist, wird, wie das Amtsgericht richtig annimmt, vom eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst (Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015) BGB § 2333, Rn. 28; MünchKomm-BGB/Lange, 7. Aufl., § 2333 Rn. 40). Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, der den im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Vorschlag, die Worte „ohne Bewährung“ zu streichen (vgl. Stellungnahme des Bundesrates, Zu Artikel 1 Nr. 28, BT-Drucks. 16/8954, S. 32; s. auch Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/8954, S. 36), nicht aufgegriffen hat (dazu auch Birkenheier in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2333 BGB, Rn. 58).

 

(2)

 
Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Bestimmung des § 2333 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BGB müsse auch dann Anwendung finden, wenn die Aussetzung der Strafe zur Bewährung - wie hier - widerrufen worden ist, stünde dies deshalb zu dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung in Widerspruch. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 3. August 2017 ausgeführt hat, ist die Bestimmung des § 2333 BGB abschließend und nicht analogiefähig; eine ausdehnende Anwendung auf andere Tatbestände als die darin bezeichneten ist daher ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 1. März 1974 - IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084; RG, Urteil vom 11. November 1941 - VII 73/41, RGZ 168, 39, 41; OLG München, NJW-RR 2003, 1230; Birkenheier in juris-PK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2333 Rdn. 59). Bei der Fassung des Gesetzes, nach der die Straftat als solche der Maßstab für eine Pflichtteilsentziehung ist, müssen spätere Entwicklungen nach der Tat bzw. der Verurteilung deshalb irrelevant sein (Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015) BGB § 2333, Rn. 28; Riedel, in: Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl., § 2333 Rn. 33).

 

bb)

 
Eine Pflichtteilsentziehung kann im Streitfall auch nicht auf die Vorschrift des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt werden.

 

(1)

 
§ 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB ermöglicht die Entziehung des Pflichtteils, wenn sich der betroffene Abkömmling eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen - dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person - schuldig macht. Gemäß § 2336 Abs. 1 BGB erfolgt die Entziehung des Pflichtteils durch letztwillige Verfügung; der Grund der Entziehung muss gemäß § 2336 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung - im Streitfall also am 7. März 2013 - bestanden haben und in der Verfügung angegeben worden sein. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Pflichtteilsentziehung ist deshalb zunächst durch Auslegung zu ermitteln, worauf der Erblasser die Entziehungen stützen wollte; das Ergebnis dieser Auslegung ist sodann an dem Erfordernis des § 2336 Abs. 2 BGB zu messen (BGH, Urteil vom 27. Februar 1985 - IVa ZR 136/83, BGHZ 94, 36; RG, Urteil vom 4. November 1941 - VII 45/41, RGZ 168, 34, 35; OLG Hamm, NJW-RR 2007, 1235). Als mögliche Gründe für die Pflichtteilsentziehung kommen danach nur die in § 3 Nr. 2 erwähnten „weiteren Straftaten“ in Betracht, die der Beteiligte zu 2. nach den Worten der Erblasserin „innerhalb meiner Familie begangen“ haben soll, „wie bspw. Einbrüche in meine Wohnung und die Wohnung meiner Tochter sowie mehrfacher Diebstahl u.a. meines Schmucks, die jedoch nicht zur Anzeige gebracht wurden“.

 

(2)

 
Allerdings muss der Erblasser die Gründe für die von ihm verfügte Pflichtteilsentziehung formgerecht erklären. Denn gemäß § 2336 Abs. 2 BGB können nur die in der letztwilligen Verfügung „angegebenen“ Gründe zu einer Pflichtteilsentziehung führen. Die Wirksamkeit einer Pflichtteilsentziehung setzt deshalb neben der Entziehungserklärung auch die Angabe eines (zutreffenden) Kernsachverhalts in dem Testament voraus (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1985 - IVa ZR 136/83, BGHZ 94, 36; Senat, Urteil vom 7. September 2016 - 5 U 61/15; OLG Hamm, NJW-RR 2007, 1235, jew. zu § 2333 BGB a.F.; OLG Köln, Beschluss vom 3. Juli 2017 - 2 Wx 147/17, juris; Weidlich, in: Palandt, BGB 76. Aufl., § 2336 Rn. 3; Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015) BGB § 2336, Rn. 11). Dabei geht es nicht darum, dass der Erblasser zum Ausdruck bringt, unter welchen der im Gesetz angeführten Entziehungstatbestände er seinen Entziehungsgrund einordnet, sondern es kommt auf eine (gewisse) Konkretisierung des Grundes oder der Gründe an, auf die er die Entziehung stützen will. Eine derartige konkrete Begründung in dem Testament, die nicht in die Einzelheiten zu gehen braucht, jedoch nach Ort und Zeit bestimmbare Vorgänge bezeichnen muss, ist schon deshalb unverzichtbar, weil die Entziehung anderenfalls im Einzelfall am Ende auf solche Vorwürfe gestützt werden könnte, die für den Erblasser nicht bestimmend waren, sondern erst nachträglich vom Erben erhoben und vom Richter für begründet erklärt werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1985 - IVa ZR 136/83, BGHZ 94, 36; OLG Hamm, NJW-RR 2007, 1235; Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015) BGB § 2336, Rn. 11). Der Erblasser braucht hierzu in seiner letztwilligen Verfügung nicht den gesamten Geschehensablauf in allen Einzelheiten zu schildern; vielmehr genügt jede substantiierte Bezeichnung, die es erlaubt, durch Auslegung festzustellen, weshalb in concreto der Pflichtteil entzogen worden ist und auf welchen Lebenssachverhalt sich der Erblasser bezieht (Senat, Urteil vom 7. September 2016 - 5 U 61/15; vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1985 - IVa ZR 136/83, BGHZ 94, 36; Beschluss vom 13. April 2011 - IV ZR 102/09, ZEV 2011, 370). An einer solchen Darlegung fehlt es im vorliegenden Fall. Der bloße Hinweis in dem notariellen Testament auf „weitere Straftaten innerhalb meiner Familie (...), wie bspw. Einbrüche in meine Wohnung und die Wohnung meiner Tochter sowie mehrfacher Diebstahl u.a. meines Schmucks, die jedoch nicht zur Anzeige gebracht wurden“, verweist nicht auf bestimmte konkrete Vorgänge. Eine Hilfe für die Eingrenzung dessen, was der Erblasser damit gemeint hat, könnte allenfalls die Angabe eines Straftatbestandes (Einbruchsdiebstahl) und die davon betroffenen Personen bieten, ohne dass jedoch nähere Angaben zur Anzahl, zum (ungefähren) Zeitpunkt und zur Art der Begehung dieser Taten erfolgten (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1985 - IVa ZR 136/83, BGHZ 94, 36). Eine derart oberflächliche Darstellung ohne jedes fassbare Kerngeschehen ist selbst bei großzügiger Betrachtung nicht ausreichend, um den formellen Anforderungen des § 2336 Abs. 2 BGB zu genügen.

 

(3)

 
Fehlt es mithin schon an einer formwirksamen Pflichtteilsentziehung, so kann offen bleiben, ob es sich bei den von der Erblasserin in Bezug genommenen, nicht näher konkretisierten Taten um solche im Sinne des § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. März 1974 - IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084); ebenso ferner, ob in dem Umstand, dass die Erblasserin die angegebenen Taten ausweislich der letztwilligen Verfügung sämtlich nicht zur Anzeige gebracht hat, nicht möglicherweise eine Verzeihung (§ 2337 BGB) liegt, die auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1974 - IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084; OLG Hamm, NJW-RR 2007, 1235) und die einer Entziehung des Pflichtteiles gleichfalls im Wege stünde. Da andere Gründe, die eine Bindung der Erblasserin an die Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament vom 13. Februar 1984 entfallen lassen könnten, nicht ersichtlich sind, ist die Antragstellerin aufgrund des - späteren - notariellen Testaments nicht Alleinerbin nach der Erblasserin geworden. Der von ihr beantragte, dies bezeugende Erbschein würde nicht der Rechtslage entsprechen, weshalb ihr auf Erteilung gerichteter Antrag vom Amtsgericht Homburg zu Recht zurückgewiesen worden ist und ihre gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde ohne Erfolg bleiben muss.

 

3.

 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

 
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 70 Abs. 2 FamFG).

 

4.

 
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ist unter Berücksichtigung des von der Antragstellerin erstrebten Verfahrensziels, die Alleinerbenstellung zu erreichen, gemäß §§ 61, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG mit dem hälftigen Wert des Nachlasses festzusetzen.

 

a)

 
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass sich der Beschwerdewert in Fällen wie dem vorliegenden nach der vom Beschwerdeführer beanspruchten Erbquote und nicht nach dem Wert des gesamten Nachlasses bestimmt (Senat, Beschluss vom 11. April 2016 - 5 W 83/15; Beschluss vom 4. September 2017 - 5 W 24/17; ebenso OLG Hamm, FGPrax 2015, 277; OLG Düsseldorf, FamRZ 2016, 1879; OLG München, FamRZ 2017, 1967). Geht es dem Beschwerdeführer - wie hier - darum, als alleiniger Erbe ausgewiesen zu werden und nicht lediglich als hälftiger Miterbe, wird sein maßgebliches Interesse durch diese Differenz bestimmt. Der als Bemessungsgröße maßgebliche Nachlasswert (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG) ist grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln. Diese Verpflichtung findet aber dort ihre Grenze, wo die Verfahrensbeteiligten es allein und hauptsächlich in der Hand haben, die notwendigen Erklärungen abzugeben und Beweismittel zu bezeichnen bzw. vorzulegen, um eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung herbeizuführen (Senat, Beschluss vom 4. September 2017 - 5 W 24/17; OLG Düsseldorf, FamRZ 2017, 933). Vielmehr kann das Gericht auch in einem solchen Verfahren, ohne seine Aufklärungspflicht zu verletzen, davon ausgehen, dass die Parteien ihnen vorteilhafte Umstände von sich aus vorbringen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 1988 - IVb ZB 51/87, NJW 1988, 1839).

 

b)

 
Der Senat geht in Anwendung dieser Grundsätze von einem Nachlasswert von 380.000,- Euro aus. Diesen Betrag hat der beurkundende Notar für die Wertberechnung des Testaments der Erblasserin vom 7. März 2013, mithin bereits in zeitlicher Nähe zum Erbfall, angesetzt. Der Senat hat keine Veranlassung, diesen - naturgemäß in gewissem Maße geschätzten - Betrag, von dem angenommen werden kann, dass er durch die Amtsperson mit hinreichender Sorgfalt ermittelt worden ist, in Frage zu stellen. Die - durch nichts belegten - abweichenden Wertangaben gemäß undatiertem, von der Antragstellerin unterzeichnetem Formblatt (Bl. 21 f. d.A. 8 VI 187/13) sind nicht maßgeblich. Bereits dessen äußere Form lässt darauf schließen, dass diese Angaben nicht mit hinreichender Sorgfalt getätigt wurden. Auch wäre der Nachlass hiernach nunmehr in erheblichem Maße überschuldet, ohne dass die Diskrepanz zu den abweichenden Angaben des Notars erklärt würde. Dies erscheint angesichts des Anliegens der Antragstellerin, einen Erbschein zu erhalten, der sie als Alleinerbin ausweist, nicht glaubhaft.